SARS - die Kunst an SARS zu sterben ohne infiziert worden zu sein!

1. Vergiftung durch Anti-SARS-Medizin Jedes Jahr sterben in China mehrere tausend Menschen an gefälschten Medikamenten. In einer Schule in der Guangxi-Provinz erkrankten sämtliche Schüler, nachdem ihnen Kräutermedizin als Vorbeugung gegen SARS verabreicht worden war. Einige Schüler mussten wegen der giftigen und illegal hergestellten Medizin sogar ins Krankenhaus gebracht werden. Alle Kinder überlebten.

2. Tod durch Verbrennen während der Desinfektion von Luft Viele Chinesen desinfizieren ihr Haus mit Essig. Ein Ehepaar in Guangdong, der Provinz, in der SARS vor einem halben Jahr seinen Anfang nahm, brachte Essig zum Verdampfen, um die Luft von SARS zu reinigen. Dabei fiel der Brenner um und steckte das Haus in Brand. Die beiden Kinder starben in den Flammen. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Dame in Peking, die eine nicht unbeträchtliche Summe Geld verlor, weil sie es zur Desinfektion in die Mikrowelle legte. Die Scheine fingen natürlich Feuer (-Heuer?)

3. Tod durch Sauerstoffmangel verursacht durch das Tragen einer Gesichtsmaske Es ist bisher kein Fall zu Ohren gekommen. Mit den stetig ansteigenden Temperaturen in Peking möchte ich aber nicht ausschließen, dass der eine oder andere kreislaufschwache und mundschutztragende Greis unter der bald zu erwartenden Sommerhitze kollabiert. Im vergangenen Juli waren in Peking Temperaturen von mehr als vierzig Grad.

4. Tod aus Angst, weil ein Kollege angesteckt ist Herr Wu, der unsere Büro-Computer repariert, weigert sich seit drei Wochen, bei uns vorbeizuschauen. "Ich sitze zuhause. Ich sterbe vor Angst. Einer meiner Kollegen hat SARS", sagt er mir vor einer Woche am Telefon. Gestern lebte er immer noch, war aber nicht bereit, seine vier Wände zu verlassen. Wir werden uns einen neuen Computertechniker suchen müssen.

5. Ermordet von Verwandten nach der Rückkehr aus einer SARS-infizierten Region Ein chinesischer Freund durfte auf Anweisung seiner Frau zehn Tage nicht nach Hause zurückkehren. "Willst Du mich und deinen Sohn umbringen?", fragte sie ihn. Er war gerade aus Taiyuan, der Hauptstadt der Shanxi-Provinz zurückgekehrt, einer der von der Epidemie am stärksten betroffenen Regionen. Die Ausgrenzung ist mitnichten nur ein innerchinesisches Problem: Die Veranstalter der Schweizer Uhrenmesse luden Hongkonger Geschäftsleute aus. Die angesehene amerikanische Universität Berkeley wird in diesem Jahr keine Studenten aus SARS-Ländern aufnehmen. Ich denke, eine vernünftige Untersuchung auf die Symptome der Krankheit würde es auch tun. Auch meine Familie hat unter der SARS-Diskriminierung zu leiden: Als meine Frau vor zwei Wochen für ein paar Tage Moskau besuchte, weigerte sich ihre Tante, sie zu sehen. Diese Reaktionen haben mehr mit Hysterie als mit tatsächlichen Gefahren zu tun. Einige Pekinger Bekannte gehen mir aus dem Weg, da sie annehmen, "dass ich als stern-Reporter doch ständig unter den Betten von SARS-Kranken rumrecherchiere". Umbringen wollte mich allerdings noch niemand.

6. Zu Tode geprügelt nach Husten in der U-Bahn oder öffentlichem Spucken Selbst einige meiner linksliberalen deutschen Freunde in Peking treten inzwischen für drastische Strafen für Spucken in der Öffentlichkeit ein. Es ist aber nur ein Gerücht, dass die in China exzessiv verhängte Todesstrafe nun auch auf Verstöße gegen Sauberkeit und Hygiene ausgeweitet werden soll. Allerdings wurde die Strafe für Spucken in Peking auf 100 Yuan erhöht,umgerechnet elf Euro. Shanghai greift noch härter durch und verlangt 44 Euro. Geholfen hat es bisher wenig. Chinesen empfinden traditionell Ekel davor, Schleim in ein Taschentuch zu verpacken und in die Hosentasche zu stecken. Deshalb setzt sich der Gebrauch von Taschentüchern nur langsam durch. Es wird weiter munter drauflos gerotzt, manchmal aber unter heftigem Protest der Umstehenden.

7. Selbstmord aus Angst, sich mit SARS angesteckt zu haben In Taiwan brachte sich ein 48jähriger Mann um, weil er glaubte, seine Frau habe sich mit SARS infiziert. In einem Krankenhaus in der Hauptstadt Taipeh, in dem zahlreiche SARS-Patienten behandelt wurden, hatte er sich um seine Frau gekümmert. "Als die Krankenschwester ins Zimmer kam, um ihm mitzuteilen, dass seine Frau an einer anderen Krankheit als SARS leide,hatte er sich schon aufgehängt", teilten die Gesundheitsbehörden mit.

8. Herzschlag auf Grund der vielen ausgestoßenen Flüche wegen der nicht endenwollenden Gerüchte im Internet Die Führung in Peking hat sich entschieden, gegen Menschen, die Gerüchte verbreiten, härter vorzugehen als gegen diejenigen Spitzenpolitiker, die das Ausmaß der SARS-Epidemie verschleiern wollten. Der Gesundheitsminister und der Pekinger Bürgermeister, die kürzlich gefeuert wurden, erfreuen sich dem Vernehmen nach weiter an ihrem priviligierten Leben. Vier Pekinger aber wurden vorgestern festgenommen, weil sie Gerüchte über SARS mit Hilfe des Internets und über Mobiltelefone verbreitet hatten. Wie hart werden die bestraft, die wochenlang das Gerücht verbreitet hatten, Peking sei nicht betroffen? Für den Fall, dass auch die ironische Wiederholung von Gerüchten strafbar sein sollte, müsste ich mein Tagebuch womöglich aus einer Pekinger Gefängniszelle fortsetzen. Am Mittwoch, den 30. April hatte ich "Meine zehn besten SARS-Gerüchte<http://www.stern.de/wissenschaft/medizin/index.html?eid=506201&id=507270&nv=ex_L3_ct>" über stern.de verbreitet.

9. Tod durch Müdigkeit wegen endlosem Auf- und Abgehen vor dem Büro nach Feierabend, aus Furcht vor einer Ansteckung im Taxi Richtig daran ist, dass einer meiner chinesischen Bekannten den geplanten Kauf eines Autos vorgezogen hat, weil er sich nicht länger den Menschenmassen in Bussen und U-Bahn aussetzen will. Ein anderer Freund hat sich wegen SARS ein Auto gemietet. Im übrigen amüsiere ich mich jeden Tag über die Pekinger, die alleine im eigenen Auto sitzend mit Mundschutz durch die Gegend fahren. Haben sie Angst, von sich selbst angesteckt zu werden?

Ein stern-Reporter